Piazzaforte, 2003

Anlässlich "Flüchtige Verfestigung"
Kuratiert von Vollrad Kutscher
Marielies Hess-Stiftung/Hessischer Rundfunk
Frankfurt am Main





Kleidungsstücke durchwehen den von den Gebäuden des Bertramshofes umstandenen und mit einigen Bäumen bepflanzten Innehof. Auf den ersten Blick scheint es so, als habe hier jemand Wäsche zum Trocknen aufgehöngt. Wenn man aber genauer hinschaut, fällt auf, dass der Innenhof ein nach architektonisch-künstlerischen, gleichwohl schlichten Gesichtspunkten gepflasteteter Platz ist, der eine längsrechteckige Fläche markiert und – wie eine Piazza – von Laternen umsäumt wird. Kaum ein Mensch würde wohl an einem solchen Ort seine Wäsche aufhängen. Denn in den Gebäuden des ehemals bewirtschafteten Gutshofes sind heute vor allem Büros und Studios des hr untergebracht.
Erst das genauere Hinsehen gibt also zu erkennen, dass es sich hier um einen situationsspezifischen Eingriff handelt.



So hat die Künstlerin aus der zwischen den Bäumen und Laternen verspannten Wäscheleine in vier Meter Höhe ein ornamentales Muster geformt, das die Struktur des Ortes anschaulich widerspiegelt, während die aus privaten Haushalten stammenden Kleidungsstücke imaginäre Hörer und Zuschauer assoziieren lassen. Zugleich betont der fragile Charakter der Wäsche das Prozessorientierte der zeitlich begrenzten Arbeit.
Mit ihrer poetisch anmutenden Verspannung des Raumes gelingt es der Künstlerin, die Beziehung zwischen öffentlichem Sender und privatem Empfänger zu visualisieren und damit die Grenze von Raum und Zeit gleichsam zu überwinden.
"Piazzaforte" – was soviel heißt wie Bollwerk oder Festung – kann aber auch als Ausdruck einer dem Platz gegenüber kritischen Haltung verstanden werden, scheint dieser doch in seiner Abgeschlossenheit im Widerspruch zu einer öffentlich-rechtlichen Radio- und TV-Anstalt, also zu einem Ort der Kommunikation schlechthin, zu stehen. Insofern übt die Arbeit zugleich Kritik an unserer im Zeichen elektronischer Kontrolle stehenden Überwachungsgesellschaft.



Als "hybride Räume, in denen sich Öffentliches und Privates" mischt, bezeichnete Christiana Protto selbst ihre Installationen, die scheinbar weit auseinanderliegende Bereiche miteinander verknüpften. Dabei spielen stets persönliche Erfahrungen und die Verschiedenartigkeit ihres eigenen kulturellen Hintergrundes eine große Rolle: Christiana Protto ist in England geboren, in Deutschland aufgewachsen und hat italienische Vorfahren. In einer früheren Arbeit hat die Künstlerin Pflanzen aus Kernen exotischer Früchte gezogen, in Konservendosen italienischer Herkunft umgetopft und auf einem Tisch arrangiert. (...)
Immer geht es darum, Analogien zwischen unterschiedlichen Bereichen über räumliche Distanzen oder kulturelle Differenzen hinweg zu knüpfen, sei es mit Hilfe recycleter Objekte oder des Ornaments. (...)

Text von Annette Emde
Flüchtige Verfestigung
22 Installationen im Hessischen Rundfunk
Hg. Marielies Hess-Stiftung
Frankfurt am Main

Christiana Protto